Neues vom Schloss Tempelhof

Unser Besuch beim Schloss Tempelhof (siehe Fernseh-Doku hier und hier) liegt nun einige Wochen zurück, der nächste Besuch nur noch wenige Wochen entfernt. Der Verkauf unseres Hauses hier in Frankreich wird gerade von uns angeleiert, damit wir, Inschallah, zum Ende des Jahres dorthin ziehen können. Gerade erreicht uns der neue Newsletter, den ich hier gerne mit Euch teilen möchte.

Liebe Freunde, Unterstützer und Interessierte,
seit Monaten hören und lesen wir von der großen Krise: Der Geld-, Staats-, Politikkrise. Überall wird vermutet und spekuliert und angestrengt über alle möglichen Symptome gesprochen. Alle möglichen Fachleute tauchen zu allen möglichen ganz wichtigen Themen auf und geben Wahrheiten kund, die ganz sicher die Lösung bringen sollten – nur um wenig später wieder bekennen zu müssen: Es ist alles doch ganz anders gekommen!
Bei allen schönen Spekulationen und aufgeregten Debatten werden selten die tieferen Ursachen betrachtet, die nicht in irgendwelchen abstrakten Systemen oder Theorien begründet liegen. Warum auch? Das heute in vielen Schichten von Gesellschaft und Politik vorherrschende egozentrierte und stark individualistische Menschenbild, dessen Grundlage eine zentrale Anreizstruktur von Gewinnstreben und Konkurrenz ist, darf nicht hinterfragt werden – denn damit werden die Machtverhältnisse gesichert. Eine fast schon pathologisch genährte Angstkultur führt zu immer stärkeren Kontroll- und Sicherungssystemen – beim Einzelnen und in der Gesellschaft. Wie soll denn da noch etwas anders werden?
Was würde denn geschehen, wenn genau an diesen zentralen Themen ein Shift geschehen würde? Wenn anstatt Angst und Gier durch Integrität, gelebte Menschenwürde, Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Freiwilligkeit und Solidarität wieder eine gemeinschaftliche Vertrauenskultur entstehen könnte?
Vertrauen ist das höchste soziale und kulturelle Gut, das eine Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Sind nicht wir alle auch die Gesellschaft, die Handelnden in der Wirtschaft? Wenn wir, jeder Einzelne es wieder wagen unsere ureigensten Fähigkeiten zu leben, in uns und das Leben zu vertrauen, werden die Bereit- schaft zu geben und zu schenken wieder wachsen und gedeihen. Erst so kann auch eine solidarische, dem Gemeinwohl zugewandte, Ökonomie entstehen. Eine Ökonomie der Menschen für die Menschen
Dieser ökonomischen Transformation haben wir uns als Gemeinschaft Tempelhof verschrieben. In unserer Vision sehen wir „Arbeit als Ausdruck unserer tiefsten inneren Essenz, für und miteinander. Im Füreinander entwickelt sich unser soziales Sein, im Miteinander unsere Kraft und Kreativität“ Bei all` unseren täglichen Schwierigkeiten erleben wir dabei Gemeinschaft mit ihren ausgeprägten Beziehungs- und Kommunikationsstrukturen, als einen idealen Ort für den anstehenden Wandel. Vertrauen, Transparenz und Kooperation treten an die Stelle von egoistischem Vorteilsdenken und Verbergen.
Dies schließt einen gesunden kreativen Individualismus nicht aus. Im Gegenteil: Wir wollen am Tempelhof authentische Vielfalt – sichtbar und spürbar. Es gibt Schnecken und Falkinnen, scheinbar Dumme neben ganz Klugen – kontrolliert oder losgelöst, manche handfest, andere frei schwebend, die Eine heute so, der Andere morgen so. Wir geben zu, dass wir eigentlich nichts wirklich wissen – alles ändert sich stetig. Das gibt uns Vertrauen in die Führung von Leben, in kollektive Weisheit. Wir versuchen das uns Unbekannte im Gegenüber zu stärken, auch wenn wir es gerade nicht verstehen. Versuchen uns zu fördern und gegenseitig zu tragen. Wir überzeugen uns nicht, mit all` unseren Weisheiten – wir versuchen uns mit unserem So-Sein zu berühren. Wir scheitern dabei immer wieder…wie im richtigen Leben. Aufstehen und hinfallen, für und miteinander. In diesem Fluss von Nicht-Wissen und Sein dürfen verlieren sich die starren egoistischen

Grenzen – und werden mehr und mehr durchdrungen von einem WIR wacher lebendiger Wesen – ein Übungsweg.
Um diesen Weg auch greifbar werden zu lassen, leben wir am Tempelhof verschiedene, auch ökonomische Experimente. So versuchen sich bereits 23 Menschen am Platz mit Bedarfseinkommen. D.h. sie arbeiten in selbständigen Projekten in und für die Gemeinschaft, geben dabei was sie können und bekommen von dem Dorf, was sie brauchen: Anerkennung, Unterstützung, Bedarfseinkommen. Der monetäre Bewertungsver- gleich entfällt – eine Mutter mit Kind erhält für ihre Halbtagsbeschäftigung vielleicht mehr (weil sie mehr benötigt) wie der alleinstehende Geschäftsführer. Alle Projekte organisieren sich dabei ganz vielfältig und unternehmerisch. Die Mitglieder des Teams nehmen selbst neue Menschen auf, die zu ihnen passen und geben sich selbst Regeln. Eventuelle Überschüsse gehen in die Gemeinschaft.
Wie sich das nun konkret in der Gemeinschaft auswirkt, zeigt z.B. unsere solidarische Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit unserer Kantine. Alle dort erzeugten Produkte haben für die Gemeinschaftsmitglieder keine Preise, weder für die Lebensmittel, die dort selbst hergestellt werden, noch für das reichhaltige Essen, das daraus erzeugt und dreimal täglich in der Kantine gereicht wird. Mit einem festgelegten monatlichen Betrag, der je nach Möglichkeiten dann nach oben oder unten offen steht, sorgen wir gemeinsam für die Finanzierung von Küche und Landwirtschaft. Wer mehr dazu lesen möchte klickt bitte hier.
Auch unsere jungen Leute, die Morphos, haben sich im Sinne von Vielfalt am Platz nun nicht nur zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengetan – sie haben auch eine Einkommensgemeinschaft gegründet: Alle Bedürfnisse und alle Einnahmen der Einzelnen werden zusammengelegt und die dabei entstehenden sozialen Prozesse gemeinsam durchlebt…mehr dazu hier.
Da wir uns bei alle dem nicht als Insel der Seligen verstehen, unsere Erfahrungen austauschen und viel von anderen lernen wollen, haben wir im Juni ein erstes Symposium zur ökonomischen Transformation veranstaltet. Christian Felber, Mitbegründer von Attac, Buchautor und Initiator der Demokratischen Bank in Österreich, hat als Gastredner und Workshop-Leiter tiefere Einblicke in die Idee der Gemeinwohlökonomie vermitteln können. Praktisch wurde das Modell dann auch von Horst Müller vom Naturkost-Großhandel Bodan erläutert. Die Kommune Niederkaufungen hat ihr seit vielen Jahren praktiziertes Modell einer Vermögensgemeinschaft durch Steffen Andrae vorgestellt und als regionales Projekt war der Tauschkreis Schwäbisch Hall – Hohenlohe mit Ralf Burger dabei. Unser Bedarfseinkommen-Gruppe, die Einkommens- gemeinschaft der Morphos, die solidarische Landwirtschaft, unsere Artabana-Gruppe (solidarische Gesundheitseinrichtung siehe auch www.artabana.de) berichteten von unseren Erfahrungen. Rund 100 Besucher erlebten ein spannendes Wochenende, mit vielen neuen Ansätzen und Ideenaustausch. Wer mehr über das Wochenende erfahren will kann unter folgendem Link einen 26-minütigen Zusammenschnitt von Stefan Schmid anschauen: http://www.schloss-tempelhof.de/infomaterial_media_gemeinwohloekonomie.php
Aufgrund des großen Interesses an dieser Veranstaltung werden wir diese Reihe im nächsten Jahr fortsetzen. Abschließend wollen wir allen Freunden und Lesern Mut machen, sich nicht von der globalen Angstmache einwickeln zu lassen. Wenn wir wirklich anfangen unseren Platz einzunehmen und das zu zeigen beginnen, was sich aus liebenden Herzen füreinander zeigen möchte – dann wird sich unser eigenes Leben und damit auch die Welt verändern…

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