Podcast: Kann uns naturnahe Landwirtschaft ernähren?

Beitrag beim Deutschlandfunk zur Frage: »Mischkulturen, Artenvielfalt, die Eigenkräfte der Umwelt nutzen: Naturnäher als mit Permakultur geht Landwirtschaft nicht. Im Garten funktioniert dieses Konzept gut. Doch taugt es auch für die kommerzielle Landwirtschaft?« Und obwohl das Thema Landwirtschaft zur Sprache kommt (ich bin mit einem älteren Interview auch dabei), so dreht sich »rein praktisch« doch wieder vieles um den Garten. Naja, will nicht so engstirnig sein. Ist ja auch wichtig, und die Sendung zeigt doch die große Bandbreite der Wirkungsmöglichkeiten der Permakultur auf.

1 comment

2017 gab es eine Studie in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications: Fachleute berechneten, wie viele Menschen man ernähren könnte, wenn man auf 100 % der vorhandenen Agrarflächen Ökolandbau betreiben würde.
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass man mit weltweit 100 % Ökolandbau über 9 Milliarden Menschen ernähren könnte (also mehr als die aktuelle Weltbevölkerung von ca. 7,7 Milliarden Menschen).
Dazu müsste man nur den Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten um etwa 1/3 senken und die Lebensmittelverschwendung um etwa 25 % bis 50 % reduzieren.

Aktuell werden (ohne Weideland) mindestens 36 % der auf Agrarflächen angebauten pflanzlichen Kalorien als Tierfutter genutzt.
Um 1 Kalorie eines tierischen Produkts zu erzeugen, muss ein Tier 5 bis 30 pflanzliche Kalorien fressen (je nach Tierart und Produktart wie Fleisch, Milch, Käse, Eier etc.).
Futtermittel- und Fleischerzeugung braucht also sehr viel Fläche und ist eine Hauptursache für die Zerstörung von Urwäldern (z. B. Regenwaldzerstörung im Amazonasbecken für Rinderweiden und Soja als Viehfutter).
Von 1 Hektar Ackerfläche mit Getreide oder Gemüse könnte man viel mehr Menschen direkt ernähren, als wenn diese Menschen nur das Fleisch, die Milchprodukte usw. zu sich nehmen, die mit Futtermitteln von derselben Ackerfläche produziert wurden.
Ernährungs- u. Gesundheits-Fachleute empfehlen, pro Woche nicht mehr als 300 bis 600 g Fleisch u. andere tierische Produkte zu verzehren.
Der Fleischkonsum in Deutschland ist aber deutlich höher: 2018 aß eine durchschnittliche Person pro Woche knapp über 1,7 kg Fleisch, das macht ca. 89 kg Fleisch pro Jahr.
Hoher Konsum von Fleisch, Milch und weiteren tierischen Produkten erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Krankheiten (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall), zu hohem LDL (mehr Arterienverkalkungen), Krebs (besonders Darmkrebs), Demenz, Arthrose, Gicht, Adipositas, Diabetes Typ2, Hormonstörungen, Infektionen mit (multi-)resistenten Keimen, usw.

Bis vor etwa 100 Jahren war der Fleischkonsum deutlich geringer, die meisten Leute aßen nur 1-mal pro Woche Fleisch. In den christlichen Fastenzeiten (Aschermittwoch-Ostersonnabend; nach St. Martin bis zum 1. Weihnachtsfeiertag) wurden sogar ca. anderthalb bis 2 Monate lang gar kein Fleisch, keine Milch/Milchprodukte und keine Eier gegessen.

Die Hauptproteinquelle der Menschen waren viele Jahrtausende lang Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen, Linsen usw.
Diese sind auch deutlich gesünder, da sie viele essentielle Mineralstoffe und Aminosäuren enthalten, wie z. B. Lysin, welches die Blutgefäße und das Immunsystem stärkt. Die in Hülsenfrüchten enthaltenen Ballaststoffe fördern die Gesundheit des Darms.

Weitere Agrarflächen werden für die Produktion von „Bio“treibstoffen (z. B. aus Ölpalmen, Raps und sogar aus Getreide) genutzt, wobei der Flächenanteil seit den letzten 2 Jahrzehnten stark ansteigt.
Die Produktion von „Bio“treibstoffen verschlimmert den Hunger in der Welt, weil durch die Konkurrenz „Tank oder Teller“ vor allem in Entwicklung- und Schwellenländern weniger Lebensmittel produziert werden und dort die Lebensmittel teurer werden. Außerdem ist die steigende Nachfrage nach von „Bio“treibstoffen eine wichtige Ursache für die Regenwald-Zerstörung (z. B. in Indonesien für Ölpalmen-Plantagen).

Andere Agrarflächen werden zur Produktion von Drogen (z. B. Tabak, Opium, Kokain) genutzt, obwohl sie besser für die direkte Ernährung von Menschen verwendet werden könnten. Z. B. gibt es riesige Tabakfelder im östlichen und südlichen Afrika, in Pakistan, Indien und Indonesien, während in denselben Regionen mehrere Millionen Menschen an Hunger oder Mangelernährung leiden.
In Afghanistan stellten viele Bauern von Getreide- auf Schlafmohn-Anbau um, weil sie mit dem Verkauf des Opiums mehr Geld verdienen konnten als mit dem Verkauf von Getreide.

Aktuell werden laut Schätzungen etwa ein Drittel aller Agrarerzeugnisse weltweit verschwendet.
Das beginnt mit essbaren Lebensmitteln, die Agrarbetriebe wegwerfen, weil sie kein Händler abnehmen will („zu klein“; „zu groß“, „zu unförmig“ wie z. B. herzförmige o. knollnasige Kartoffeln/ „zu stark gebogen“ wie z. B. viele Gurken; Schale nicht „makellos“ obwohl Frucht noch essbar z. B. Äpfel mit Schorf); reicht über Verluste in der Lieferkette und weggeworfene nicht verdorbene Lebensmittel in Läden und Supermärkten bis hin zu Verlusten bei den Endverbraucher*innen.

Quellen:

https://utopia.de/bio-welt-ernaehren-landwirtschaft-69984/

https://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/news/de/32851.html

https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/fleisch-und-futtermittel.html

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/heutiges-ackerland-koennte-vier-milliarden-menschen-mehr-ernaehren-a-914457.html

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36573/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-fleisch-in-deutschland-seit-2000/

Schreibe einen Kommentar