faz

Ein französischer Garten als Vorbild für die Agrarindustrie?

FAZ: „Auf diesem Hof in der Normandie wachsen Würmer, Möhren und Euros. Die Besitzer brauchen dafür weder Gift noch Traktoren. Ihnen genügt die Natur. Sie haben von Kleinbauern gelernt und wollen Vorbild sein.“

Posted by Stefan in Artikel, Garten, Landwirtschaft, Natur, Waldgarten, 0 comments

Diesen Boden wird die Menschheit bald nicht mehr gutmachen können

DSC01758

Ich habe ja schon mal über das Buch „Dreck“ geschrieben, wie beeindruckend deutlich, klar und auch irgendwie überraschend die Folgen der Landwirtschaft für den Boden und schlussendlich auch für Zivilisationen in der Welt war. Hier nun eine andere Zusammenfassung aus der FAZ.

Wenn Ackererde bloß als billiger Produktionsfaktor in Rechnung gestellt wird: David Montgomery warnt vor dem weltweit drohenden Verlust an kultivierbarem Land.
29.10.2010, von MANUELA LENZEN

Als Charles Darwin ein Buch über Regenwürmer veröffentlichte, hielten dies viele für die Schrulle eines alten Mannes. Regenwürmer galten als Schädlinge, die am besten aus dem Boden zu entfernen seien. Darwin behauptete nun, sie pflügten, produzierten neuen Humus und prägten die ganze englische Landschaft. Darwin hatte recht, und heute können wir Regenwürmer beutelweise kaufen, um den heimischen Komposthaufen zu beleben.

Mit einer anderen Schätzung war Darwin allerdings zu optimistisch: Der Boden wächst durch Gesteinsverwitterung und Regenwurmaktivität nicht zwischen 0,2 und 0,5 Zentimeter pro Jahr, es sind nur wenige Zentimeter im Jahrtausend. Boden lässt sich in für den Menschen relevanten Zeiträumen nicht ersetzen, konstatiert der amerikanische Geologe David Montgomery. Dennoch leisten wir uns eine Erosionsrate, die vierzigmal höher liegt als die natürliche Bodenerosion. Neben Klimawandel und Ressourcenknappheit komme hier eine weltweite ökologische Katastrophe auf uns zu, die, anders als die Abholzung der Wälder und die Überfischung der Meere, noch nicht ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen sei. Doch gerade weil sie nicht dramatisch, sondern schleichend daherkomme, werde sie umso verheerender ausfallen.

Weltgeschichte aus der Perspektive der Bodenerosion

Montgomery hat die Augsburger Buchreihe „Stoffgeschichten“ um eine ebenso faszinierende wie erschreckende Weltgeschichte aus der Perspektive der Bodenerosion erweitert. Die allermeisten Kulturen haben den schleichenden Bodenverlust bislang übersehen, bis es zu spät war, berichtet der Autor. Von Mesopotamien über Griechenland und Rom bis zum vom Hunger geplagten Irland des 19. Jahrhunderts und der Dust Bowl, der Staubwüste, in die amerikanische Farmer den mittleren Westen verwandelten, als sie versuchten, auf dem Prärieboden Ackerbau zu betreiben – immer wieder findet Montgomery dasselbe Muster. Die Landwirtschaft beginnt in den fruchtbaren Niederungen, die Bevölkerungsdichte steigt, die Menschen weichen auf die Hanglagen aus, roden, pflügen, und der Boden leidet. Er rutscht die Hänge hinunter – auf Haiti so stark, dass Planierraupen ihn in der Regenzeit von den Straßen schieben müssen, er wird fortgeweht oder ausgelaugt, weil es billiger ist, neues Land zu roden, als altes zu pflegen.

Optimismus wird zur Blauäugigkeit

Der Autor erkennt sogar eine welthistorische Struktur: Kulturen existieren zwischen 800 und 2000 Jahre lang – so lange, wie es durchschnittlich dauert, den fruchtbaren Boden in den gemäßigten Breiten abzutragen. Manche fruchtbaren Flusstäler stellen Ausnahmen dar, die die Regel bestätigen: In Ägypten schaffte es erst der Assuandamm, die Regenerationsfähigkeit des Bodens nachhaltig zu ruinieren.

Heute geht es allerdings nicht mehr um Auswandern und Ausweichen, denn die weltweite Anbaufläche von eineinhalb Milliarden Hektar ist nicht mehr zu steigern. Dennoch geht weiter rasant Boden verloren, durch den Klimawandel, durch Bebauung und durch die industrialisierte Landwirtschaft, für die der Boden nicht mehr ist als ein billiger Produktionsfaktor. Optimisten hoffen, dass die Wissenschaft diese Verknappung schon irgendwie ausgleichen wird, ähnlich wie es im Zuge der Grünen Revolution mit Hochleistungssorten und Stickstoffdünger gelang. Doch dieser Optimismus grenzt an Blauäugigkeit, meint Montgomery.

Zum einen können die Pflanzen nur eine bestimmte Menge Stickstoff aufnehmen, etwa die Hälfte von dem, was die Landwirte ihnen heute zuführen. Dazu kommt ein weiterer Punkt: Woher soll der Dünger kommen? Nachdem um den Vogelkot Guano schon Kolonialkriege geführt wurden und die Ausbeutung von Phosphaten paradiesische Inseln in unbewohnbare Wüste verwandelt hat, stammt der Mineraldünger heute aus Erdöl oder Erdgas. Dreißig Prozent des Erdölverbrauchs gehen auf Kosten der Landwirtschaft, so Montgomery, und die Vorräte schwinden.

Grüne Revolution wäre wieder an der Zeit

Wir müssen dringend aufhören, die Landwirtschaft als einen Wirtschaftszweig unter anderen zu betrachten, bei dem allein der Profit entscheidet, fordert Montgomery. Es sei Zeit für eine neue Grüne Revolution. Die Landwirtschaft müsse sich den Böden anpassen, nicht umgekehrt. Die Kornkammern der Erde, die Lössböden Nordamerikas, Europas und Chinas, lassen sich in großem Stil bewirtschaften, wenn man schonend vorgeht und etwa auf das Pflügen verzichtet. Der übrige, empfindlichere Boden gehört in die Hände derer, die ihn bearbeiten. Verwalter, die aus dem Boden nur Profit erwirtschaften, ohne an die Zukunft zu denken, hätten schon das alte Rom ruiniert. Dezentral, ökologisch und arbeitsintensiv müsse die Landwirtschaft werden. Nur dann bestehe wenigstens eine Chance, die wachsende Weltbevölkerung dauerhaft zu versorgen.

In Ansätzen ist dies kurioserweise auf Kuba gelungen, als das Land sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf sich allein gestellt fand. Dünger und Spritzmittel waren nicht zu bekommen, also besannen sich die kubanischen Bauern auf traditionelle Düngemethoden und produzieren notgedrungen Bioqualität.

Ist fruchtbarer Boden in Zukunft ein Kriegsgrund?

Das reicht, wenn man auf Fleisch verzichtet, so gerade, und der Prozess des Umdenkens war nicht auf demokratische Meinungsbildung zurückzuführen. Dass er in globalem Maßstab gelingen könnte, bezweifelt der Autor. Die Alternative allerdings mag man sich gar nicht recht ausmalen. Chinas Böden sind so ausgelaugt, dass sie für die Ernährung der Bevölkerung nicht mehr ausreichen. Zurzeit hängt die Sicherheit der weltpolitischen Ordnung, so Montgomery, an der Überproduktion der amerikanischen Landwirtschaft. Was geschieht, wenn Völker erst beginnen, in großem Stil um fruchtbare Böden zu kämpfen?

Schon jetzt erwerben reiche Staaten massiv fruchtbares Land in Entwicklungsländern – was Montgomery erstaunlicherweise nicht erwähnt. Nur wenigen kleinen Kulturen ist bislang das Kunststück gelungen, ihren Boden dauerhaft fruchtbar zu halten. Montgomery analysiert ihre Wirtschaftsweise und versucht Schlüsse für die Industriestaaten zu ziehen. Der wichtigste: Behandelt den Boden nicht wie Dreck.

Posted by Stefan in Artikel, Landwirtschaft, Natur, Wirtschaft, 0 comments