Was hat die ökologische Krise mit der Ernährungskrise, der politischen Krise oder der Bildungskrise zu tun? Ich find’s immer wieder zum einen bedenklich, nur über ein (Problem)Thema unserer Gesellschaft zu sprechen (weil alles miteinander vernetzt ist und es ein großes System bildet), und zum anderen faszinierend, das „Anders denken“ auf ganz andere Bereiche auszudehnen. Und dazu gehört ganz klar die Frage, was und wie unsere Kinder lernen sollen. So wie die meisten von uns – in einem engen Korsett, mit vorgegebenen Themen, alle zur gleichen Zeit das gleiche Thema, mit Benotung, Vergleich und Konkurrenz? Oder so, wie die Kinder auch lernen zu stehen, zu gehen, zu reden, selbst zu essen, Fahrrad zu fahren, zu sprechen – nämlich selbstbestimmt. Also: Freie Bildung für freie Kinder! In diesem Interview erklärt der Musiker und Autor André Stern, warum der Mensch nur spielerisch lernt und warum er seine Kinder nicht zur Schule schickt.
lernen
Rede eines 17 jährigen Abiturienten
Super interessante Abschlussrede eines Abiturienten
„Ich habe nichts übrig für eine weichgespülte Begrüßungszeremonie und eine darauffolgende nichtssagende Dankesbekundung an Eltern, Lehrer und Co – auch wenn ich weiß, dass ich ohne euch nicht hier stehen würde, im Grunde niemand von uns. Ich möchte nicht die Hochs und Tiefs einer vergangenen Schulzeit paraphrasieren , obwohl ich weiß, dass vieles häufiger Erwähnung finden sollte, um sich so länger in unseren Köpfen – in unseren Erinnerungen – festzusetzen.
Ich möchte mich an meine Mitschüler wenden.
Die momentane durchschnittliche Geburtenrate in Deutschland liegt bei 1,4 Kinder je Frau, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt momentan bei ca. 80 Jahren, Tendenz steigend. Dieser Vorgang nennt sich demographischer Wandel. Soll heißen: Unsere Gesellschaft wird zunehmend älter.
Wir, die wir uns hier versammelt haben, um unsere „Reifeprüfung für den deutschen Durchschnittsbürger“ zu feiern, sind im Allgemeinen zwischen 17 und 19 Jahren alt. Wir sind oder waren es zumindest bis vor kurzem: Schüler, eine soziale Randgruppe.
2009 wurde in Hamburg eine Schule errichtet mit Pausenhof auf dem Dach, nicht auf Grund Platzmangels, das war in einem schwach besiedelten Wohngebiet, sondern um die Anwohner um die Schule herum, welche Kinderlärm befürchteten, vor Kinderlärm zu schützen. Die Chancengleichheit des deutschen Schulsystems ist der Berthelsmannstiftung zu Folge auch 2013 noch höchst bedenklich gewesen. Auf den Aufstieg eines Schülers auf das Gymnasium folgen 4,2 Schüler, welche das Gymnasium auf Grund schlechter Noten auf einen niedrigeren Bildungsgrad verlassen. Das bedeutet: Unser Bildungssystem ist nur in eine Richtung durchlässig und zwar nach unten!
Unsere Landesregierung kürzt 2012 die Bildungsgelder!
Die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft lässt sich an der Art und Weise ablesen, wie sie mit ihrer Jugend umgeht. Denn die Jugend ist die Zukunft der Gesellschaft.
Aber nicht nur, dass wir häufig nicht akzeptiert, als faul und antriebslos bezeichnet werden, sondern dass man uns mit den Problemen der Zukunft konfrontiert ohne uns Hoffnung zu geben, dass wir sie lösen können, löst bei einigen – bei mir zumindest – eine erschreckende Lethargie aus.
Die Welt ist schlecht, vor allem ungerecht!
2011 war der OECD zu Folge das kriegreichste Jahr seit 1945, 2014 hat die Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Reichtum einen neuen Spitzenstand erklommen, wie es eigentlich jedes Jahr sein dürfte.
Der neuesten Oxfamstudie zu Folge besitzen die reichsten 85 Menschen so viel, wie die ärmsten 107%. Im Gaza – Streifen verhungert wahrscheinlich in diesem Moment ein Kind und in den unüberschaubaren Slums Indiens wird eine Frau vergewaltigt.
Das sind die Dinge, die man lernt, wenn man in der Schule an der richtigen Stelle zuhört.
Und man tut im gleichen Atemzug so, als ob es unsere Aufgabe wäre, diese Welt, die nur noch so von Krise in Krise schlittert, zu retten.
Da widerspricht sich die Schule. Man sagt uns, dass das Leben erst jetzt richtig anfangen wird, jetzt da wir unser Abitur in der Tasche haben. Aber von diesem Leben will man hier gar nichts mehr wissen. Man hat uns in Formen gepresst, und alles was an Elan übrig geblieben ist, verpufft wie Wasser auf einem heißen Stein.
Ich habe die Energie, mit der ich in der 5. Klasse dieses Schulgebäude betrat, den Optimismus, eines Tages als eine Art Superheld die Welt zu verändern und die Euphorie mit der WIR in die damals kaum zu erwartende Zukunft blickten, in langwierigen Mathestunden abgesessen, in verstaubte Englischbücher hineingelesen und letzten Endes mit dem Abitur vollkommen verloren.
Natürlich könnte man sagen: Erkennen zu müssen, dass man kein Held ist oder sein kann, ist hart, aber Teil des normalen Erwachsenwerdens und nicht Schuld der Schule.
Doch wir müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken. Helden werden jetzt gebraucht wie nie zu vor.
Helden, die in der Lage sind uns mit uns selbst zu konfrontieren, Helden der Zukunft, welche nicht auf Schlachtfeldern geboren werden. Helden mit Visionen und Energie, diese umzusetzen, keine zurechtgestutzten, gesellschaftsfähigen Durchschnittsbürger, die zwar alle ein 1, – Abitur haben, aber keine Leidenschaft, sich von ihren Sofas loszulösen und zu beginnen auch für andere zu leben. Es ist in der heutigen Zeit schwer geworden ein passendes Beispiel zu finden. Man macht uns Angst. Wer will sich noch ins Licht stellen, wenn man weiß, dass ein Edward Snowden oder ein Bradley Manning von einem Friedensnobelpreisträger gejagt werden und in dem Staat, dem sie am meisten helfen, nämlich der BRD, keine Zuflucht finden.
Also woher sollen die Helden der Zukunft kommen, wo sollen sie ausgebildet werden, wenn nicht in der Schule?
Wir jungen Menschen sind die einzige Chance die dieser Planet und seine Bewohner noch haben, wir aus den westlichen Ländern, die alle Mittel zur Verfügung haben, grenzenlosen Wohlstand, den neuesten Technologieboom, das vernetzte Wissen, das Internet, mit dem wir als erste gelernt haben zu leben, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre. Ich höre sie schon nach uns rufen in ein paar Jahren. Doch wir werden immer weniger.
Zudem wird dieser Planet zunehmend von alten Menschen regiert, die in alten Denkstrukturen leben, selbst wenn sie auf dem Papier auch noch unsere Väter sein könnten. Das Internet ist für sie Neuland, Smartphones schwerlich zu bedienen, in Textnachrichten sehen sie das Verkommen der
menschlichen Sprache und nicht die Renaissance schriftlicher Kommunikation.
Doch mein Smartphone beschallt meine Ohren mit Peter Fox‘ „Haus am See“ in Dauerschleife, präsentiert mir alles was ich und die restlichen Jugendlichen von unserer Zukunft noch erwarten auf einem Silbertablett:
‚Am Ende der Straße steht ein Haus am See, orangenbraune Blätter liegen auf dem Weg,
ich habe 20 Kinder meine Frau ist schön,
alle kommen vorbei ich brauch‘ nie raus zu gehen.‘
Das kann doch nicht alles sein!
Wenn wir diesen Standpunkt verlassen wollen, wenn wir wieder mehr erreichen, wenn wir bewegen, leben und verändern wollen, dann müssen wir aufstehen uns von dem bleichen Licht unserer uns blendenden Bildschirme lösen und wenn es die Alten nicht machen, dann müssen wir ihnen die Hände über die Leichen unserer kaputten Träume hinweg reichen.
Liebe Eltern/ liebe Schule, das geht an euch!
Ihr seid nicht blind, genau wie wir, lasst und gemeinsam die Welt so gerecht formen, wie wir es in der Schule eigentlich beigebracht bekommen haben sollten und lasst uns gegenseitig vorleben, wie das geht.
Auf jeden Fall nicht in einem Haus am See.
Begleiten statt beschulen
„Das Lernen im Zwischenmenschlichen wird an Demokratischen Schule weit vor den klassischen Lerninhalten zum Kern der täglichen Arbeit. Wenn die Verarbeitung von vorgesetztem Stoff aufhört, wird der Mensch erst einmal mit sich selbst konfrontiert. In dieser Leere kann man sich entweder mit neuen Ersatzinhalten füllen oder dem eigenen Wesen mit seinen Bedürfnissen, Konflikten, Zweifeln und Genüssen auf die Spur kommen und dieses „echte Ich“ im Wirkungsfeld der Gruppe zum Vorschein treten lassen. Die eigenen Verwirklichung ist der Einsteig in ein selbstverantwortliches Lernen, dem alle Motivation zu inhaltlicher Arbeit folgen wird. Das Vertrauen, dass jedes Kind an diesen Punkt kommt, ist das, was die aussenstehenden Erwachsenen in der Begleitung der Kinder aufbauen müssen.“ (Oya 24, S.67)