Wie sieht die Zukunft der Tier- bzw. Fleischproduktion in Deutschland aus? In der Entwicklung noch größerer Ställe, oder in der Rückbesinnung auf Tierwohl und gute Qualität? Die Doku »Unser Fleisch – Bio oder Masse?« begleitet zwei Betriebe, die unterschiedlicher kaum sein können. Der eine will mit seiner Schweinehaltung von »konventionell« auf »bio« umsteigen. Der andere will, zusammen mit drei anderen Betrieben, einen Riesenstall mit 1000 Kühen bauen. Gibt es den »richtigen« Weg? Was sind die Vorteile oder Nachteile des einen oder anderen Ansatzes?
industrielle landwirtschaft
Bäuerliche versus industrieller Landwirtschaft. Eine Abgrenzung, die nicht so einfach ist.
Große Teile der Gesellschaft wünscht sich eine »bäuerliche« Landwirtschaft, im Kontrast zur »industriellen« Landwirtschaft. Aber wie diese zu definieren, einzugrenzen ist, ist fraglich. Sind’s 50 Kühe? Oder dürfen es auch 400 sein? Hört die bäuerliche Landwirtschaft bei 20, 50 oder 500 Hektar auf?
Interessante Aspekte liefert hierzu ein Diskussionsbericht „Von der bäuerlichen Landwirtschaft zur regionalen Versorgungswirtschaft“ von Christian Hiß (Regionalwert AG), Andrea Heistinger und Frieder Thomas (Kasseler Institut für ländliche Entwicklung e.V. und AbL). Dabei kommen sie zu folgenden „Funktionale Eigenschaften bäuerlicher Ökonomien„:
o Generationenübergreifende Kontinuität und Beständigkeit
o Bedarfsorientierte Produktion für eine ökonomische und soziale Einheit
o Unmittelbare Verknüpfung von Haushalt und Wohnen
o Stabile und verlässliche Arbeits- und Sozialbeziehungen
o Gegenseitige Absicherung bei Schäden und Unfällen
o Arbeitsteilig zugeordnete Verantwortungsbereiche
o Rhythmisch strukturierter Tagesablauf
o Gemeinsames Feiern schafft Raum für Begegnung
o Überschaubare Netzwerke und Außenbeziehungen
o Übernehmen von Innovationen in Bewährtes
o Rationelles Arbeiten, aber kein Wegrationalisieren von Arbeitskräften
o Fließende Übergänge von Landwirtschaft zu Handwerk
o Extensiver Umgang mit Finanzkapital
o Erweiterter Kapitalbegriff
o Ortsbezogenes Erfahrungswissen und praktische Fertigkeiten
o Existenzieller Umgang mit natürlichen Ressourcen
o Verfügbare Reproduktion bei Nutzpflanzen und Nutztieren
o Systemimmanente Energieversorgung
o Vorratshaltung als essentieller Baustein
o Risikominimierende Vielfalt in der bäuerlichen Landwirtschaft
o Nutztiere als zentraler Baustein der Hofökonomie
Biodiversität im Wandel der Zeit – Artikel im SPIEGEL
Ein paar interessante Artikel im SPIEGEL:
Biodiversität in Europa: Artensterben vollzieht sich mit Zeitverzögerung. Das Artensterben ist bedrohlich genug, doch laut einer neuen Studie sieht es noch düsterer aus: Die Effekte von Zersiedlung und Umweltverschmutzung schlagen sich bei vielen Spezies erst Jahrzehnte später nieder. Die Zahl der bedrohten Arten müsste deutlich nach oben korrigiert werden.
Intensive Landwirtschaft: Zahl der Feldvögel hat sich halbiert: Lerche, Kiebitz, Rebhuhn – die Zahl der Feldvögel in Europa sinkt dramatisch. Seit 1980 hat sich der Bestand halbiert. Als eine Ursache gilt der massenhafte Anbau von Energiepflanzen wie Mais. Naturschützer fordern, dass mehr landwirtschaftliche Flächen stillgelegt werden.
Präsentation: Benny Haerlin erläutert die zentralen Aussagen des Weltagrarberichts
Zum Weltagrarbericht. Achtung: Ziemlich dick und birgt eine Menge Sprengstoff (für Monsanto, BASF und Co, und unsere industriell ausgerichtete Landwirtschaft)!
Nach Wikipedia:
Die Welt ist laut dem Bericht durch ungleiche Entwicklung, nicht-nachhaltigen Gebrauch der natürlichen Ressourcen, die negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung sowie fortgesetzten Welthunger und Armut gekennzeichnet. Um diesen Problemen wirkungsvoll zu begegnen, schlagen die Autoren des Berichts vor, Kleinbauern zu stärken, die für ihr lokales Umfeld produzieren.
Kernaussagen
Um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein, bedarf es eines radikalen und systematischen Wandels in der landwirtschaftlichen Forschung, Entwicklung und Praxis.
Der entscheidende Faktor zur Bekämpfung des Hungers ist nicht die Steigerung der Produktivität um jeden Preis, sondern die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und ihrer Produktionsmittel vor Ort.
Die besten Garanten für die lokale Ernährungssicherheit sowie die nationale und regionale Ernährungssouveränität sind kleinbäuerliche Strukturen. Ihre Multifunktionalität mit ihren ökologischen und sozialen Leistungen müssen anerkannt und gezielt gefördert werden.
Die Umwandlung von Anbauflächen für Lebensmittel in Treibstoffflächen ist nicht vertretbar. Es sind effizientere, integrierte und dezentrale Formen der Bio-Energiegewinnung zu fördern.
Die Grüne Gentechnik bringt bisher mehr Probleme als Lösungen und lenkt das Forschungsinteresse einseitig auf patentierbare Produkte.
Die Freiheit der Forschung und die Verbreitung von Wissen wird durch geistige Eigentumsrechte und -ansprüche (z.B. auf Saatgut) maßgeblich negativ beeinflusst.
Die öffentliche Agrarforschung und Entwicklung muss praxisnäher werden, die Fragen der Landwirte beantworten und diese an den Entwicklungen beteiligen.
Um die Treibhausgasemissionen pro Kalorie zu reduzieren, bedarf es technologischer Revolutionen und drastischer Einschnitte.
Empfohlene Investitionen
Verbesserung der Methoden der ökologischen Landwirtschaft und der Anbaumethoden mit geringem externen Input
Pflanzenzüchtungen für bessere Temperatur- und Schädlingsbeständigkeit
finanzielle und nicht-finanzielle Abgeltungen von Umweltleistungen
biologischer Ersatz von Agrochemie
Verringerung der Abhängigkeit der Landwirtschaft von fossilen Brennstoffen
Doku: Farm for the Future (Englisch)
Wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft aus? In einer Zukunft mit deutlich erhöhten Ölpreisen? Oder/und einer Zukunft mit deutlich weniger Energie-Input in die Landwirtschaft? Was kann die Permakultur zur Landwirtschaft beitragen? BBC produzierte schon 2009 eine sehr interessante Dokumentation zu diesem Thema: Eine Farmerstochter möchte den Hof umstellen, um auch in Zeiten nicht-mehr-vorhandener-Erdölmengen überleben zu können. Dafür besucht sie andere Projekte und spricht mit der Avantgarde der alternativen Landwirtschaftsmethoden, wie z.B. dem Waldgarten-Guru Martin Crawford oder dem Permakultur-Chief Patrick Whitefield, oder den Peak-Oil Experten schlechthin Colin Campbell und Richard Heinberg. Ein interessanter Einblick in die Überlegungen die nötig sind um unsere Landwirtschaft auf die Zukunft umzustellen.
Ein paar Spiegel-Artikel
… über ökologisches Bauen, oder warum nur Nicht-Bauen wirklich ökologisch sein kann. Bester Ansatz ist die Renovierung, und wenn schon neu bauen, dann bitte mit Abfall: Nur wer nicht baut, baut gut
„Lerche, Kiebitz, Rebhuhn – die Zahl der Feldvögel in Europa sinkt dramatisch. Seit 1980 hat sich der Bestand halbiert. Als eine Ursache gilt der massenhafte Anbau von Energiepflanzen wie Mais. „: Zahl der Feldvögel hat sich halbiert
„Creating energy from corn once seemed like a revolutionary idea in Germany. But subsidies for the biogas industry have led to entire regions of the country being covered by the crop, and investors are eagerly waiting for local farmers‘ land to go for sale.“: Biogas Boom in Germany Leads to Modern-Day Land Grab
Buch: Food Crash. Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr
Im Gegensatz zu dem leicht (?) provozierenden Untertitel, berichtet Felix zu Löwenstein in seinem Buch Food Crash. Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehrin sehr sachlichem Ton und auf umfassende, sehr gut recherchierte Weise, was uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erwartet, wenn wir die „industrielle Landwirtschaft“ weiter so betreiben wie jetzt, und warum die „ökologische Landwirtschaft“ („ökologische Intensivierung“) zum Nutzen aller ist, den Boden schont, die Natur und unsere Gesundheit schützt, nicht „die Welt“ kostet aber dennoch gewinnbringend betrieben werden kann ohne dass die Menschen diese Nahrungsmittel nicht mehr bezahlen können.
Ein paar Auszüge:
„In der Summe aller Degradationsformen verliert die Menschheit auf diese Weise jede Jahr fruchtbare Böden im Umfang von zehn Millionen Hektar – fast so viel, wie die gesamte Ackerfläche der BRD. … …beziffert alleine in den USA den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden, der durch den Verlust landwirtschaftlicher Produktionskapazität verursacht wird, auf 37,6 Milliarden US-Dollar. Weltweit summiert sich diese Zahl auf 400 Milliarden … … dass zwischen 1950 und 1990 ein Drittel aller fruchtbaren Böden weltweit durch Degradation verloren gegangen sind.“
Aufgrund der starken Verstädterung, also Ausdehnung der urbanen Zonen, verschwinden „fast überall auf der Welt ausgerechnet die fruchtbarsten Böden auf diese Weise unter Asphalt und Beton“, weil eben die grossen Städte an Flussläufen gebildet wurden.
„Ganz offensichtlich ist es und nicht gelungen, unseren Ackerböden den Wert zuzumessen, der ihre bedenkenlose Reduzierung verhindern würde.“
„Es ist wahrscheinlicher, dass die amerikanische Ethanolproduktion die globale Erwärmung eher verursacht, als sie zu lindern.“ (Zitat aus einer Studie des „EU-Joint Research Center“)
Bzgl. Biomasse zur Biogasproduktion: „Der typische Ertrag liegt hier bei 1 bis 3 kWh Primärenergie/m2 oder ca. 1000 bis 3000 l Öläquivalent pro Hektar. Demgegenüber weisen Solarkollektoren einen Jahresertrag von ca. 400 kWhth/m2, PV-Anlagen von 100 kWhel/m2 und Windparks von ca. 50 kWHel/m2 bezogen auf die jeweilige Gesamtfläche auf.“
„Je nach Rechengang, Hektarertrag und einzukalkulierendem Marktpreis für Getreide ergibt sich ein Subventionseffekt für Biogas-Mais zwischen 1000 und 2000 Euro pro Hektar.“
„Immerhin 69% der in 2007 aus Biogas hergestellten Megawattstunden wurden mit Substraten hergestellt, die ausschliesslich für diesen Zweck angebaut wurden.“
„Aber selbst wenn sich die Bewohner der westlichen Industrienationen mit einem Konsumverhalten bescheiden würden, das etwa 20% unter dem der Deutschen liegt, alle anderen aber zu dieser Quote an Fleischkonsum aufschliessen wollten, wäre das Ergebnis nicht darstellbar. Denn dann müsste immerhin noch die gesamte derzeitige Weltgetreideernte an Tiere verfüttert werden. … nicht einmal die Hälfte des weltweiten Getreideverbrauchs auf den unmittelbaren Verzehr als Lebensmittel entfällt. Dabei ist hier sogar der Reis mit eingerechnet, der nach wie vor zu 100% auf den Tisch der Menschen kommt…“
„… dass etwas nicht stimmt, wenn für und Europäer in Argentinien und Brasilien auf mehr als der Ackerfläche Deutschlands, nämlich 16 Millionen Hektar, Sojabohnen als Eiweissfuttermittel angebaut werden“.
„Damit stammen 21% der Einnahmen dieser Landwirte aus staatlichen Zahlungen.“
„Wenn im Durchschnitt beim Getreide- und Hackfruchtanbau 160 kg Stickstoff je Hektar gedüngt werden, so bedeutet das einen Verbrauch von 320 Litern Heizöl. Dazu kommen noch einmal 20 bis 30 Liter Heizöl, die für die Produktion der Spritzmittel benötigt werden. Im Vergleich dazu nehmen sich die 30 Liter Diesel je Hektar, die von Traktor und Mähdrescher verbraucht werden, bescheiden aus.“
„Heute werden von den Pflanzen – gemessen in einer weltweiten Stickstoffbilanz – nur noch 17% des ausgebrachten Stickstoffes aufgenommen. … ist es wichtig zu wissen, dass Stickstoff nicht nur das Wachstum beschleunigt, sondern auch dazu führt, dass die Zellwände weicher – und damit weniger widerstandsfähig gegenüber dem Befall mit Pilzsporen – werden.“
„Im Übermaß vorhandener Stickstoff verursacht gleich mehrere Probleme: Die Anheizung der Klimaerwärmung durch Bildung von Stickoxiden und Ammoniak, Verunreinigung des Grundwassers und damit Bildung von Nitrat im Trinkwasser (Krebsgefährdung) sowie die Überdüngung von Oberflächengewässern.“
„Die Wissenschaftler beziffern den jährlichen Stickstoffeintrag in die Ostsee mit 1,4 Millionen Tonnen, den von Phosphat mit 600 000 Tonnen. Wollte man diese Düngemittel per Lkw transportieren, müsste man auf der kompletten Strecke von Travemünde bis Palermo Lastwagen an Lastwagen reihen.“
„70% aller weltweit produzierten Lebensmittel werden nach wie vor von Kleinbauern erzeugt.“
„Wenn es uns nicht gelingt, die Ausbreitung des westlichen Lebensstils mit seinem hohen Fleischkonsum, seiner Überernährung und seiner Lebensmittelvernichtung zu verhindern, dann gibt es keine technische Lösung, die den Zusammenbruch des Ernährungssystems verhindert.“
Präsentation: Michael Pollan on Revising Our Food Production System (Englisch)
Michael Pollan, bekannter Publizist und Verfechter gesunder Ernährung und umweltverträglicher Nahrungsherstellung, erklärt in diesem Vortrag was die Probleme der industriellen Landwirtschaft sind, was für Auswirkungen dies auf unsere Umwelt, unsere Gesundheit und unser Klima hat. Er zeigt exemplarisch und sehr anschaulich wie viel Erdöl nötig ist um einen Hamburger herzustellen (0,8 Liter). Und er erklärt wie eine Umorientierung in Richtung umweltschonender Produktion natürlicherer Nahrungsmittel möglich wäre. Ein sehr interessanter Vortrag mit ansprechenden, visuellen Bildern.