Agroforstwirtschaft wird ja nun endlich zunehmend bekannt – inzwischen ja auch im Bundestag angekommen. Allerdings hat auch die Wissenschaft noch einen weiten Weg zu nehmen, um zu verstehen was die Bäume auf den Äckern und Wiesen bewirken. So startet jetzt in Großbritannien eine Untersuchung die über 12 Jahre gehen soll (klar, Bäume wachsen ja nicht so schnell), um silvopastorale Systeme zu untersuchen. Sehr spannend, was dabei heraus kommen wird!
untersuchung
Könnte die ökologische Landwirtschaft die Welt ernähren? Mit welchen Konsequenzen?
Ob das die richtige Fragestellung ist, die die Wissenschaftler in ihrer Modellierung untersucht haben (leider nur im Abstract öffentlich zugänglich), möchte ich direkt mal in Zweifel ziehen. Denn die grundsätzliche Aussage könnte man, à la Felix zu Löwenstein, so formulieren: „Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“.
Aber gut, lassen wir uns mal drauf ein.
- „Organic farming, which currently accounts for only 1% of global agricultural land”… Ich vermute mal dass die damit »zertifizierte Fläche« meinen, oder? Denn ich vermute mal dass ein guter Teil der Bauern z.B. in Afrika durchaus »organic« wirtschaftet, schon aufgrund von fehlender Finanzkraft, fehlendem Dünger usw.
- Kann man so einfach »industrielle LW im Westen« und »kleinbäuerlich LW in Entwicklungsländern« vergleichen? Meine Vermutung ist, dass gerade bei letzterem – die ja 70% der Lebensmittel weltweit produzieren – ein sehr großes Potential steckt, gerade auch in Verbindung mit Permakultur (und Wissen). Mehrstöckiger Anbau, Nutzung von Stickstoff-fixierenden Sträuchern und Bäumen, Wasserretention usw.
- Und da ist dann bei mir auch schon der Punkt erreicht mit der Frage, ob konventionell und ökologisch solche nicht vereinbare Ansätze sein müssen, wie nun im Artikel behauptet oder beschrieben. Ich kenne Konvis, die unglaublich gut arbeiten – Boden aufbauen, Pflanzenvielfalt fördern, Bäume pflanzen wollen, usw. Und es gibt Oekos, die halt »konventionell« arbeiten, nur ohne die Gifte. Weiter Monokulturen, weiter Pflügen, weiter mechanisch, Grundwasser pumpen usw. Also, es ist nicht schwarz und weiss da draussen. In der wissenschaftlichen Literatur dann aber schon, wie es scheint. Als theoretisches Experiment (Modellierung, wie in diesem Artikel) interessant – aber ich bezweifle die Aussagekraft.
- Die »neueren« Erkenntnisse à la Joel Salatin, Gabe Brown und anderen innovativ wirtschaftenden Bauern haben die Autoren wohl nicht mit einbezogen. Also, vielfältige Gründüngungen, Holistisches Weidemanagement, Tiere in den Acker integrieren, mehrjährige Kulturen, Keyline-Design, usw. Sofern ich das beurteilen kann (ich kann es nicht), scheinen da riesige Potentiale zu sein – die gleichzeitig alle Richtung Oeko-Anbau gehen. Hier noch ein interessanter Artikel in der New York Times dazu.
- Für mich ist die Argumentation: “Bio kann die Welt nicht ernähren, deswegen brauchen wir »konventionell«…” auch deswegen zu kurz gegriffen, als wir (als Gesellschaft, als Wissenschaftler) der Bio-Landwirtschaft unrecht tun, wenn sie ~25% weniger produziert als die konventionelle. Zum einen, verständlicherweise, als dass die Reduktion auf “Ertrag pro Hektar” viel zu kurz gegriffen ist und die vielen anderen »Qualitäten«, die durch diese andere Art der Landbewirtschaftung unterstützt und erfüllt werden (Förderung der Biodiversität, Schutz des Bodens, Wasserinfiltration, und viele andere sog. Ökosystemdienstleistungen), nicht passend gemessen und einbezogen werden können in die Rechnung. Und zum anderen, weil – wenn ich nicht falsch liege – gerade mal in Deutschland 2% der landwirtschaftlichen Forschungsgelder für die ökologische Landwirtschaftsforschung ausgegeben werden. Da kann man dann auch nicht viel »Output« erwarten. Währenddessen sind in den letzten Jahrzehnten Milliarden und Milliarden in die konventionelle Forschung gesteckt worden – welches ganz offensichtlich zu deutlichen Ertragssteigerungen geführt hat. Ähnliche Entwicklungen sind auch in der ökologischen Landwirtschaft durchaus vorstellbar.
- Das grundlegende Problem in der Diskussion um »wir müssen mehr produzieren um die wachsende Bevölkerung zu ernähren» sehe ich in Peter Farb’s Paradox: „“Die Intensivierung der Produktion mit dem Ziel, eine grössere Bevölkerung zu ernähren, führt zu einem noch stärkeren Wachstum der Bevölkerung.”
So, das sind meine Kamelle zum Thema/Artikel, ohne viel wissenschaftliche Nachweisbarkeit. Gerne Kommentare, Meinungen, Nachweise hinzufügen…
Das Permakultur Wissenschaftsnetzwerk – Permaculture International Research Network
Um sich wirklich weiter etablieren zu können, braucht es meiner Meinung nach, mehr begleitende Forschung. Auch wenn nicht alle Aktivitäten und Schritte hin zu einer enkeltauglichen Gesellschaft wissenschaftlich erfassbar und messbar sind, so würden Untersuchungen, vor allem im landwirtschaftlichen Bereich, die Reputation der Permakultur mit Sicherheit deutlich anheben können. Das wird weltweit von der Permakultur-Bewegung mittlerweile auch anerkannt, und so bildet sich ein Netzwerk von wissenschaftlich Interessierten, die in diesem Bereich arbeiten oder unterstützen. Hierzu gibt es nun eine neue Seite: das Permaculture International Research Network.
Wenn jeder in einem Ökodorf wohnen würde, wäre die Erde immer noch in Schwierigkeiten
Tja, man sollte nicht Ökodörfer mit Nachhaltigkeit/Zukunftsfähigkeit gleichsetzen. Das ist das Ergebnis einer Studie über den Fussabdruck der Findhorn Gemeinschaft in Schottland (hier ein englischer Artikel von Samuel Alexander der das „Problem“ zusammenfasst). Und die geben sich ja schon richtig Mühe, was das Material für ihre Häuser angeht, die (eigene) Produktion von erneuerbarer Energie, ihre quasi vegetarische Ernährung, usw. Mit einem Fussabdruck von 2.7 GHa sind sie zwar schon sportlich unterwegs, und deutlich unter dem Durchschnitt von Grossbritannien. Aber eben dann doch noch ein gutes Stück von den 1.8 GHa weg, die als „nachhaltig“ errechnet wurden. Das macht nicht gerade Hoffnung, dass wir als Menschheit überhaupt das Niveau erreichen können, welches nachfolgenden Generationen Zukunftssicherheit geben würde.
Harte Daten – Warum Permakultur auch ohne diese funktioniert
Ich bin gerade dabei für UNEP eine Art Meta-Studie und damit auch etwas längeren Artikel über Permakultur zu schreiben. Allerdings gibt’s da einige Probleme Herausfoderungen: Zum einen fehlen für einen wissenschaftlichen Bericht ganz einfach die wissenschaftlichen Studien zur Permakultur. Es gibt einiges im Bereich Agro-Ecology, was ja so etwas wie das wissenschaftliche Standbein der PK ist, allerdings ohne die vielen, bewussten Vernetzungen mit einzubeziehen. Zum anderen schallt mir von höheren Hierarchien entgegen dass die in dem Artikel aufgeführten Elemente (Pfluglose Bodenbearbeitung, Alley Cropping, Mehrjährige Pflanzen, usw.) ja nun nichts Neues wären… Ich war im Austausch mit John Barrie Button diesbezüglich, und erhielt einige erhellende wenn auch manchmal harschen Worte ob meiner und UN-Einstellung. Und dann kam dann noch dieses kleine Werk Permaculture – And Why It Works, welches gut erklärt warum PK funktioniert, es aber keine „harten Daten“ dazu gibt. Viel Spass beim Lesen!
Changing the Face of Farming: Permaculture Farms in the US
Eine Frage die ich mir seid einigen Monaten immer wieder stelle: Dass Permakultur im kleinen oder auch grösseren Garten funktioniert, steht ausser Frage. Zur Selbstversorgung ist der Ansatz erstklassig. Aber wie sieht’s mit der grossen Landwirtschaft aus? Wie kann ich 10, oder 50 Hektar Land permakulturell bewirtschaften? Oder steht da sowie erst einmal eine Hypothese im Weg: Öl ist viel zu billig? Erst wenn das schwarze Zeug deutlich teurer ist als jetzt werden wir („die Bauen“ und die Gesellschaft) gezwungen sein unser landwirtschaftliches System zu ändern. Aber auch so lassen sich, so denke ich, ohne grosse Verluste, einige Elemente der PK einfach in die Fläche integrieren. Eine Hecke hier, eine Baumreihe dort, eine kleine Wasserlandschaft, keine Bodenpflug-Benutzung mehr… Und schon wenden wir im grossen Stile PK an.
Ein Doktorant versucht nun in den USA eine grosse Reihe PK-Farmen zu besichtigen und wissenschaftliche Erhebungen durchzuführen. Ein kleines Video zeigt worum’s geht (s.o.), eine Webseite gibt’s auch. Und er sucht noch nach kleinen Geldgebern („Crowd funding“) um seine Reisen zu finanzieren.